Die Geschichte vom Disclaimer
Auf jede Webseite auf die ich komme und die mit >.DE< endet, klicke ich
irgendwann eine Seite an die einen DISCLAIMER enthält. Darin erklärt der
Betreiber dass er auf keinen Fall mit verlinkten Seiten, nichts aber auch gar
nichts zu tun hat und auf keinen Fall mit dem was andere schreiben zu tun haben
will.
Was man da liest ist in der Regel folgendes:
Mit Urteil vom 12. Mai 1998 ... hat das Landgericht Hamburg entschieden, dass
man ... Links ... ggfs. mit zu verantworten hat. ... Hiermit distanziere ich
mich ausdrücklich von allen verlinkten Seiten."
Kommt Ihnen das bekannt vor? Bestimmt, gelle? Aber was ist denn nun damit? Was
ist der Grund für diese Zeilen?
Ich habe mir das Urteil, so weit es mir zugänglich war, durchgelesen. Ich bin ja
nun kein Jurist, aber nachdem was ich da verstehe, ist das was daraus entstand
grad das Gegenteil dessen was das Gericht eigentlich mit den Urteil zum Ausdruck
bringen wollte.
Was war den nun da Sache?
Der Verurteilte hatte sich über den späteren Kläger geärgert und widmete dem
eine giftige Homepage. Mitsamt Links zu fremden Seiten, die diesen
unmissverständlich beleidigten. Die Richter verurteilten den wütenden
Webpagebastler deshalb wegen Beleidigung. Er habe sich die ursprünglich fremden
Schmähungen mit den Links "zu Eigen gemacht".
Der Verurteilte hatte allerdings einen DISCLAIMER auf seiner Seite in der er
jegliche Verantwortung an Seiten die er verlinkt hatte von sich wies. Aber den
wischten die Richter als bedeutungslos vom Tisch. Nur wenn sich insgesamt aus
der Homepage ergeben hätte, dass der Betreiber, der Beklagte also, den
verlinkten Beleidigungen gar nicht zustimmt, hätte er sich die nicht als eigene
anrechnen lassen müssen. Wenn er "sich ausreichend davon distanziert hätte",
hieß das im Gerichtsdeutsch.
Damit war das Missverständnis in der Welt. Gut gemeint verbauten und verbauen
eifrig Webmaster die legendäre Klausel und "distanzieren sich". Überall und von
allem, und vor allem völlig wirkungslos. Denn die Hamburger Richter hatten das
genau anders gemeint: Eine Klausel ist egal, es kommt auf die Gesamtbild an.
Wenn ich nämlich auf der ganzen Seite etwas schreibe und dann auf eine Seite
hinweise die auch das behauptet was ich behaupte, im DISCLAIMER aber wiederum
behaupte, das was die andere Seite schreibt gehe mich nichts an.... hmmm. Ich
glaube jeder weiß was ich meine. Jemand der so handelt ist unglaubwürdig. Und
genau das hat das Landgericht Hamburg auch so empfunden.
Doch da für Juristen nichts so einfach ist, gibt es durchaus Untertöne. Lange
gingen Gerichte davon aus, die komplizierten Haftungsregelungen des
Teledienstegesetzes und des Mediendienstestaatsvertrags schlössen ohnehin meist
eine Haftung für Links aus. Im Jahr 2005 erklärte der Bundesgerichtshof, die
Vorschriften seien auf Links gar nicht anwendbar. Und das Oberlandesgericht
Schleswig sprach einem Disclaimer doch eine gewisse, konstruktive Wirkung zu,
ebenso das Landgericht Potsdam. Andererseits erklärten die Landgerichte Köln und
Trier, sowie die Oberlandesgerichte Hamburg und Düsseldorf Disclaimer, für
wirkungslos.
Und vielleicht schaden sie sogar. Denn bedeutsam ist der Haftungsausschluss nur
bei Links zu rechtlich zweifelhaften Inhalten. Und hat nicht deshalb der
Webmaster den Disclaimer eingebaut, weil er - schlechten Gewissens - wusste, auf
welchen dunklen Seiten des Webs er wandert?
Das Feld der Disclaimer gilt mittlerweile juristisch als geklärt. Thomas Hoeren,
Experte für Onlinerecht brachte es jüngst in einem Interview auf den Punkt:
Disclaimer bei Links sind "für die Katz', sie bringen überhaupt nichts". Das
heißt jetzt aber nicht, dass man Links anbringen kann wie man lustig ist. Links
auf Seiten die offensichtlich unrechtmäßig und ungesetzlich sind, sollte man auf
gar keinen Fall anbringen. Man sollte, bevor man Seiten verlinkt, auf alle Fälle
die verlinkten Seiten prüfen. Klar kann sich der Inhalt von Seiten verändern.
Der Betreiber einer Seite kann plötzlich ein anderer sein. Domains können
verkauft werden. Das ganze Web verändert sich. Es empfiehlt sich auf alle Fälle
seine Links nach einiger Zeit auf Veränderungen zu prüfen und unter Umständen
gesetzte Links auch wieder zu löschen. Allen Unkenrufen zum Trotz, sollte man
den gesunden Menschenverstand einsetzen!
Wer jetzt allerdings den Kick braucht und sich unbedingt so einen richtig
ausgefuchsten DISCLAIMER nach dem allerneuesten Recht und in perfekten
Juristendeutsch reinziehen will, der sollte sich an "die Mutter der DISCLAIMER"
halten. Hier werden Sie geholfen oder befriedigt oder so ...
Und damit sie sich selbst ein Urteil zu der Sache bilden können, habe ich einen
Link gesetzt in dem Sie das Urteil, so wie es mir zugänglich war, nachlesen
können. BTW. Man beachte den Namen des Aktenzeichens ...
Landgericht Hamburg,
Urteil vom 12. Mai 1998, 312 O 85-98 - D-Orfdepp des Monats
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